Goldener Shuttle 2003

Bekanntlich tun es die Surfer standing up. Die Fallschirmspringer tun es in the air. Und wie treiben es die Badmintonspieler des BC Uto? Richtig, sie machen es in der Halle. Rechteckiges Feld, Netz auf 1,55 m, Zweierkiste oder flotter Vierer – das ist unser Tummelfeld. Unser Sperrbezirk sozusagen.

Am 6. April 2003 war es wieder so weit. Hier ist die Vollzugsmeldung – der «Goldene Shuttle» des BC Uto hat stattgefunden. Das ist das interne Clubturnier. Spielbetrieb, Tätschmeister, Hoffnungsrunden, Finalspiele, Rangverkündigung, stolze Sieger, genervte Verlierer, Suva-gesponserte Preise, Sandwich-Buffet, Kinderbegleitung und temporäre Unterstützung durch vorbeischauende Ehemänner und Freundinnen. Es war alles dabei.

 

«Goldener Shuttle»: Dieser Name für ein Clubturnier in der Zürcher Suburbia mag dem Einen oder der Anderen ein bisschen überkandidelt erscheinen; etwas Vergoldetes gab es mitnichten zu gewinnen. Aber immerhin, es klingt doch besser als «Staubiges Federli» oder «Hölziger Schläger». Angesichts des frühmorgendlichen Beginns an einem heiligen Sonntag wäre allerdings die Bezeichnung «Schlafwandler-Cup» auch noch passend.

 

Trotz frühem Beginn: Auf den Feldern wurde erstaunlich engagiert gekämpft und leidenschaftlich gefightet. Und es ging nicht ohne Emotionen ab: Sogar von der Clubpräsidentin war mal ein kräftiges «Scheisse» zu hören.

 

Spannung kam schon im Vorfeld auf. Seit Wochen wurde in den Umkleidekabinen und auf dem Spielfeld eine wichtige und entscheidende Frage intensiv und leidenschaftlich erörtert: Würde es gelingen, den Matthias so weit in Hitze zu treiben, dass er möglicherweise doch gezwungen sein könnte, allenfalls daran zu denken, eventuell seinen Trainingsanzug auszuziehen? Die Antwort: Ja. es gelang. Gegen Peter war Matthias gleich zweimal ohne Trainerjacke zu sehen. Mehr noch: Im Finalspiel (er gewann es) schien es sogar, als würde Matthias seine gewohnt coole hanseatische Contenance verlieren (oder ist sie berlinerisch oder kölsch oder was?). «Mensch Matthias, das kann’s doch nicht gewesen sein» brüllte er lauthals, als ihm ein paar Fehler passierten.

 

Im Vergleich dazu blieb Brigitte bei ihrem Finalsieg im Dameneinzel vollkommen gelassen und erledigte ihre Sieges-Arbeit mit der Relaxtheit einer Mutter, die weiss, dass ihr das Schweine-Maskottchen vom Sohnemann zuverlässig zur Seite stehen würde. Noch eine wichtige Erkenntnis aus dem Frauenturnier: Einen Nuggi in den Hosensack zu nehmen bringt gar nichts.

 

Und die Zählweise? Diesbezüglich herrscht ja eine mittlere Verwirrung. Bis auf 15? Bis auf 11? Was gilt gerade offiziell und nicht-offiziell? Die Frage wurde von Spielleiter Thomas im ungebügelten T-Shirt in seiner gewohnt autoritären Art völlig undemokratisch und unter Missachtung sämtlicher Mitsprache- und Mitwirkungsrechte der Clubmitglieder diktatorisch entschieden: Es wird auf 15 Punkte gespielt. Punkt. Während des Tages wurde allerdings offensichtlich, dass etliche Spielerinnen und Spieler durchaus froh gewesen wären, wenn sie den K(r)ampf schon bei elf hätten abbrechen können. Andere wiederum hätten liebend gern bis dreissig oder vierzig gespielt – nur um sich noch länger sadistisch am Elend weiden zu können, in das sie ihre Spielgegner stürzen konnten.

 

Ist Badminton eigentlich gesund? Da sind Zweifel angebracht. Abgesehen von den üblichen Knieproblemen und Hüftschmerzen gab es diesmal den rückenbedingten Ausfall von Beat zu beklagen. Gewöhnlich gut intrigierende Kreise streuten zwar anschliessend das Gerücht, die Rückenschmerzen hätten einen weiblichen Vornamen. Ob es stimmt oder nicht – das wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Einen «eingebetten» Reporter vorbeizuschicken war in diesem Fall nicht möglich. Wahr ist aber, dass Seilspringen noch problematischer ist als Federball. Das hat uns Ulrike schmerzhaft vor Augen geführt: Ihr «Aus» kam schon beim Aufwärmen und noch vor dem ersten Spiel. Die Suva erwägt jetzt, Seilspringen auf die Liste der besonders gefährlichen Sportarten zu setzen, hört man.

 

Ja, der Schreibende hat auch versucht mitzuhalten. Ich hatte mir in der Einzel-Rangliste sogar eine Platzierung im oberen Bereich des unteren Mittelfeldes erhofft, doch es kam anders: Null Chancen gegen Beat, kein Brot gegen Erich. Aus. Dabei war ich wirklich überzeugt, bestens vorbereitet zu sein. Ich hatte mich spielerisch optimal eingestellt, war mental gut drauf, hatte eine Super-Taktik gewählt, die Lauftechnik noch einmal memoriert, mir effiziente Spielzüge zurechtgelegt, am Morgen mit 3 Liegestützen noch schnell die Kondition aufgepeppt – es half alles nichts. Dafür kann ich mich nun auf diesem Weg rächen und für die Nachwelt Folgendes festhalten. Meine Gegner haben fies gespielt: Sie haben mich mit hinterhältigen Drops gequält, mit harten Turbolader-Smashes genervt, mit Longline-Schlägen ausgetrickst, mit brutal weiten Clears zum Verzweifeln gebracht und mit angetäuschten Schlägen nach allen Regeln der Kunst demoralisiert. Ein Skandal.

 

Jetzt eine Anleitung für Damen, die ein Game nicht gewinnen konnten. So kommentieren Verliererinnen ihr Spiel mit Eleganz und Stil: «Shit, es hat wieder nicht geklappt. Immer das Gleiche. Weisst du, schon beim Tennis ist mir das oft passiert. Ich beginne gut, mache ein paar schnelle Punkte (linkes Auge wird leicht wässerig), fühle mich locker und gut – und dann, plötzlich (rechtes Auge wird wässerig) kommt eine Blockade, ich beginne zu patzern, weiss nicht warum, mache unerklärliche Fehler, sonst kann ich es doch auch, es lief am Anfang so gut (Träne 1 erscheint auf Auge links), jetzt plötzlich lasse ich die Gegnerin aufkommen, ich nerve mich über mich selber, das macht alles noch schlimmer (Träne 2 auf Auge rechts), ich begreife das nicht, plötzlich habe ich das Gefühl, die Seitenlinien und das Netz hätten sich gegen mich verschworen, es passiert einfach so, es ist psychologisch, weisst du, ich bin machtlos, dabei hätte ich sie schlagen können (schneuz), ich hätte sie wirklich schlagen können, ich weiss das, ich spüre es, und doch, shit, es ging nicht (Nastuch bitte)».

 

Das Erstaunlichste am Turnier war, dass ein ganz bestimmtes Thema überhaupt nie aufs Tapet kam: nackte Badmintonspielerinnen. Zwar wissen alle, dass die Zürcher Gewerbepolizei ein Plakat des Fotografen Michael von Graffenried verboten hat, weil die Frau, die darauf Federball spielte, eine Nudistin war. Doch keine der Clubdamen hat sich – soweit bekannt – beim Fotografen gemeldet, um ihm ebenfalls Modell zu stehen. Da erstaunt, denn früher, als die political correctnes noch wenig entwickelt war, hätte man die Damen unseres Club durchwegs als hübsch bezeichnen dürfen, und auch eine Bemerkung über die Figur wäre keinesfalls unpassend gewesen. Jetzt achten wir Männer natürlich nur noch auf die Schlagtechnik! Unser Motto lautet ganz strikt: Nur auf den Shuttle konzentrieren. Grosses Ehrenwort. Keine Eifersucht, Männer: Auch bei uns gibt es doch nur Superbodys zu bewundern, gestählte Oberkörper reihenweise, sportliche Figuren wohin das Auge schaut. Höre ich da jemanden rufen, es seien auch schon Schwabbelbäuche, schütteres Haar und Erschlaffungsprozesse zu beobachten? Nicht doch!

 

Ernst Meierhofer